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Tagung „Gender and Social Norms“

Die internationale Tagung zum Thema „Geschlecht und soziale Normen im alten Israel, antiken Judentum und antiken Christentum“ stellt ein Unikum dar. Nur selten treffen Bibelwissenschaftler der Hebräischen Bibel/des Alten Testaments und des Neuen Testaments zusammen, um miteinander zu reden. Wenn sich dazu noch klassische Archäologen, spezialisiert auf die altgriechische und altrömische Welt, und Palästina-Archäologen gesellen, von denen die Einen auf die zwei Jahrtausende vor Christus fokussiert und die Anderen auf die griechisch-römische bis byzantinische Zeit konzentriert sind, liegen zwischen all diesen Forschungen nicht nur viele Jahrhunderte, sondern auch wissenschaftliche und reale Welten.

Das gemeinsame Thema war zu erforschen, ob sich in historischer Perspektive etwas über Geschlechtszuschreibungen herausfinden lässt. Bei literarischen Überlieferungen ist davon auszugehen, dass sie zum größten Teil von Männern stammen und tendenziell männliche (An)Sichten reproduzieren. Das dürfte zum Beispiel die Themenwahl beeinflusst haben und zudem erklären, warum wir über die dazugehörigen Frauenwelten im Verhältnis sehr viel weniger erfahren. Diesbezüglich geben archäologische Funde und Artefakte weitaus mehr Auskunft darüber, wie die Menschen lebten, in welchen Räumen sie agierten, was sie aßen, wie sie sich kleideten und welchen Arbeiten sie sich widmeten. Insbesondere Gräber- und Skelettfunde sind in dieser Hinsicht äußerst informativ. Aber auch Raumstrukturen und Objekte des Alltagslebens geben Aufschluss über das Leben der Geschlechter.

Allerdings beschäftigte sich die Tagung ausdrücklich nicht nur mit Frauen, sondern mit all dem, was in den Sozialwissenschaften als Geschlechterkonstruktion unter den jeweils sozialen, topographischen und historischen Bedingungen erforscht wird. Dabei geht es um sozialen Status, um Religiosität, um den Lebens-Raum, in dem sich Männer und Frauen jeweils aufhalten, sowie um die Objekte, die man in ihren Häusern, Gräbern, Städten und Dörfern gefunden hat. Wie haben die Menschen damals gelebt und inwiefern komplettieren diese Funde die Beschreibungen, die wir in den literarischen Texten und Inschriften sowie in Bildmaterialien, wie Wandreliefs, Mosaiken, Statuen, Figurine, Siegeln und Münzen finden?

Das Material ist vielfältig: Wenn die hebräische Bibel davon spricht, dass Gott den Menschen Kleidern aus Fell machte, bevor er sie aus dem Garten Eden schickte, dann zeigen die archäologischen Funde in ihrer Diversität viel über Kleiderherstellung und lassen erkennen, wer für welche Bekleidungsart zuständig war. Grabfunde und Bildkunst geben Auskunft über Schmuck, Haartracht und Status der jeweiligen Personen. Genetisch-anthropologisches Material in Grabfunden dokumentiert die Arbeitsfeldaufteilung oder auch demographische Entwicklungen, zum Beispiel den Zuzug von Ethnien und den Vermischungsgrad der heute „religiös“ definierten Gruppierungen wie Juden und Christen.

Archäologische Funde von Synagogen, Badehäusern oder einem Bordell sagen viel über die Aufteilung von Lebensräumen innerhalb der Geschlechter sowie – beispielsweise durch ihre Lage – über ihren Stellenwert und ihre Bedeutung innerhalb der jeweiligen Gesellschaft aus. Reinigungsriten, Initiationsriten oder Bankette bzw. Mahl-Traditionen zeigen die Vermischung oder auch Trennung der Geschlechter.

Antike Medizintexte, Heiratsnormen oder Besitzurkunden geben ebenfalls interessante Einblicke in Fragen der Geschlechterverhältnisse. Gesellschaftliche und religiöse Fragestellungen sind dabei häufig miteinander verknüpft, was für die antiken und vorantiken Gesellschaften typisch ist.

Die vom Freundeskreis der Universität in Koblenz e. V. subventionierten Besuche im Museum Ludwig unter der Führung von Prof. Dr. Reifenscheid und in der Archäologischen Sammlung auf der Festung Ehrenbreitstein unter Führung von Herrn Hahn waren nicht nur inhaltlich eine Bereicherung, sondern haben die Gäste aus der Schweiz, den Niederlanden, Israel, USA und Deutschland mit der gastgebenden Stadt vertraut gemacht.